Seite wählen

Heute ist ja der ideale Tag für einen Jahresrückblick – der Sonntag nach den Feiertagen, der 27.12., wunderbar gelegen. Und auch dieses Jahr, 2020, mit all seinen Facetten, ist ja natürlich ein wunderbar geeignetes Jahr für scharf- und tiefsinnige Jahresrückblicke und Ausblicke entweder in eine immer düstere, apokalyptisch anmutende Zukunft oder auch blumige „Es wird sich alles finden“-Hoffnungsversprechen.

Ich habe keine Worte

Aber ich merke, dass ich keine Worte finde für dieses Jahr.Was kann ich darüber sagen? Wie ist es gestartet? Als mein Jahr der Freiheit, mit der Schlüsselübergabe für unser SinnReich (das jetzt übrigens auch online ist: www.sinnreich-koeln.de)? Mit wunderbaren Renovierungs- und Coaching-Tagen? Mit ganz viel Herzblut, das wir in unser Unternehmen und unseren Raum gegossen haben?

Das Virus

Mit Covid ist es wie bei 9-11: Wahrscheinlich hat jeder von uns seinen Moment, in dem sie realisiert hat, dass sich gerade etwas Entscheidendes in unser aller Leben einschleicht, es von Grund auf verändert.

Mein Moment war bei einer Notar-Vertretung im Umland, als sich der erste Mandant weigerte, mich per Handschlag zu begrüßen, und sich darüber auch ziemlich empörte, dass ich ihm die ausgestreckte Hand zur Begrüßung hingehalten hatte.

Oh ja, Pardon, mein Fehler – zwar habe ich an dem betreffenden Tag noch einigen Mandanten, nach vorheriger Erkundigung, wie wir es halten wollen, die Hand geschüttelt, aber ab den folgenden Tagen war es damit vorbei: Ich glaube, ich habe jetzt seit neun Monaten niemandem mehr die Hand geschüttelt.

Achterbahnfahren

Der erste Lockdown war irgendwie befreiend. Alle Menschen lebten plötzlich so entschleunigt wie wir, wir noch entschleunigter.

Krankheitsverläufe in unserem Umfeld waren nicht kritisch. Der Sommer brachte Entspannung. Die Menschen interagierten gelassen und pragmatisch.

Persönliche Momente der Verwirrung: Der Legoladen hat coronabedingt seine Mini-Figurenteil-Wühlkästen abgebaut, die uns sehr ans Herz gewachsen waren. In der Verwandtschaft bricht Streit aus über angemessene Anzahl von Besuchen und Besuchsverhalten (nur im Garten? mit Maske? mit Dauerlüften?). Bei den Notarvertretungen wird das Beurkunden mit Maske obligatorisch, auch hier entsteht Streit, ob wir bei mehrstündigen Beurkundungen bei unangenehm herbstlichen Temperaturen zusätzlich Dauerlüften.

Herbst und Winter sind gekennzeichnet von Depression und panischen Verhaltensweisen, individuell und politisch.

Ich erlebe große Dankbarkeit, aktiv und passiv, für kleine menschliche Gesten und Begegnungen. Die Isoliertheit solcher Freude erschüttert mich.

Ich will keine Worte mehr

Ich lese keine Nachrichten mehr, schon lange nicht. Manchmal klicke ich auf Dinge, die mir angezeigt oder geschickt werden, aber meistens bereue ich das nachher.

Ich will keine Worte mehr haben.

Ich bin zutiefst berührt, wie jedes Jahr, an Weihnachten in der Kirche.

Mir geht nicht aus dem Kopf, dass wir vor circa 25 Jahren auf dem Gymnasium im Deutschunterricht einen Aufsatz schreiben sollten mit dem Titel „Meine Welt 2020“. Die Aufsätze handelten überwiegend von Kühlschränken, die meldeten, wenn Lebensmittel zur Neige gingen und diese dann slbständig im Supermarkt nachbestellten. Jedenfalls ist das das Wesentliche, an das ich mich erinnere.

Wir hatten wahrscheinlich alle Zurück in die Zukunft gesehen und mochten Michael J Fox. Michael J Fox, Jahrgang 1961, erhielt mit 29 Jahren die Diagnose Parkinson. Dieses Jahr hat er sich aufgrunddessen endgültig von der Schauspielerei zurückgezogen. Vor zwanzig Jahren hat er eine Stiftung zur Erforschung der Krankheit gegründet und bislang vier Bücher über seine Geschichte geschrieben.

Was bleibt

Was will ich an 2020 nicht missen?

Alles, was wir für und rundum unser Coaching-Angebot gestaltet und entwickelt haben: Unsere inzwischen vier Websites (www.sinnreich-koeln.de, www.facettenreich.jetzt, www.löwenherz-paarberatung.de, www.unternehmenswert.jetzt), jedes der Angebote, die wir geschrieben haben, die Erfahrungen, die wir dabei gesammelt haben, die eigene Entwicklung, die wir dabei durchlaufen haben, die vielen berührenden menschlichen Begegnungen. Die Bilder, die ich gemalt und begonnnen habe. Unsere Blogartikel.

Jeder Moment mit Tochter, jeder Moment mit Hund.

Das Ausmisten im Schuh- und im Kleiderschrank und das Neubefüllen, bis langsam nur noch Sachen übrig bleiben, die ich gerne trage, in denen ich mich wohlfühle, die meine Persönlichkeit zum Ausdruck bringen.

Unerwartete alte und neue Kontakte.

Was fehlt

Was fehlt, sind immer noch Worte für das, was gesellschaftlich passiert.

Ich mag 2021 nicht mit Erwartungen beginnen und auch nicht mit deren Schwestern Vorsätzen oder Zielen. Ich mag 2021 eine Chance geben, besser zu werden als alles, was ich mir gerade in meiner Sprachlosigkeit vorstellen kann.

Ich mag mir keinen Stress machen, positive Visualisierungen aufzurufen, die erzwungen wären. Die schönsten Dinge werden 2021 völlig unerwartet passieren. 2021 werden völlig unerwartet die schönsten Dinge passieren.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen