Viele, eigentlich alle unsere Klient:innen haben einen – eine Art inneren Dämon. Manche kennen ihn gut, andere entdecken ihn im Coaching mit uns, andere wollen ihn lange nicht sehen.
Dämonen haben viele Gesichter
Er oder sie oder es hat immer ganz unterschiedliche Bezeichnungen, drückt sich bei jedem individuell aus. Mal ist es der Scheiterhaufen, auf dem sich jemand brennen sieht, manchmal ein kleines schwarzes Wesen, das sich im Herzen eingenistet hat, manchmal die Künstler-Seele.
Manchmal ist es einfach nur ein Störgefühl, sich in seiner eigenen Haut nicht wohlzufühlen.
Aber immer entpuppt sich diese Dämonin am Ende als ein Glaubenssatz, der im Kern lautet: So, wie du (eigentlich) bist, bist du nicht liebenswert – gehörst nicht dazu.
Jetzt könnte man denken, es ginge bei uns doch um Selbstliebe. Jein.
Ja, es geht um Selbstliebe. Und nein, es geht nicht nur um Selbstliebe. Denn es geht vor allem um dieses Wörtchen „so“. Und um die vielen, vielen erlebten Erfahrungen, tatsächlich wegen seines So-Seins nicht geliebt zu werden und nicht dazuzugehören.
Die Gabe der Macht
Aber was kennzeichnet dieses So-Sein? Was tut denn eigentlich dieser Dämon so schreckliches?
Im Grunde nichts, vor allem gar nichts schreckliches. Außer Durchschauen, Erspüren, Vorahnen, Hellfühlen, Klarsehen. Dazu gehört insbesondere das Erkennen logischer Brüche, insbesondere im Hinblick auf soziale, gesellschaftliche, politische und organisatorische Interaktionen. Und vor allem: Das mehr oder minder bewusste Leiden an solchen Erkenntnissen.
Das klingt gar nicht so schrecklich, sondern auch ganz nützlich, oder?
Im Grunde handelt es sich einfach nur um die Kombination eines besonders ausgeprägten Intellekts in Verbindung mit einer besonders ausgeprägten Sinneswahrnehmung und besonders ausgeprägter Empathie.
Diese Eigenschaften sind im wissenschaftlichsten Ansatz der Kombination von Hochbegabung und Hochsensibilität zuzuordnen. Eindeutig fündiger wird man in Kunst und Spiritualität: Die Ausprägungen der genannten Persönlichkeitseigenschaften werden dort als Merkmale künstlerischer und/oder heldenhafter Persönlichkeiten und/oder spiritueller Führer dargestellt. Damit ich heute mal nicht mit Thomas Mann und Hermann Hesse komme, zwei etwas aktuellere Beispiele: Die Jedi Ritter aus Star Wars und Das fünfte Element aus dem gleichnamigen Film beispielweise. In der Historie weiter zurückreichend Mystiker und Hexen und prominent Jeanne d’Arc.
Verdrängung und innerer Kampf
Wie aber wird eine Gabe, die sich in Führung, Spiritualität und Kunst ausdrücken will, zu so einer Last, dass sie als innerer Dämon empfunden wird?
Und wieder muss ich die Erkenntnis aufschreiben, die man einfach nicht glauben will, die sich aber für mich in so vielen persönlichen und professionellen Erfahrungen immer wieder bestätigt, dass ich an ihr nicht vorbeikann: Dazu reicht völlig aus, von Kindesbeinen an gespiegelt zu bekommen, dass diese Gabe nicht erwünscht ist, dass du als Mensch mit dieser Gabe in deinem Umfeld nicht erwünscht bist.
Und deshalb auch: Es geht nur am Rande um Selbstliebe. Denn auf perfide Art und Weise ist es trotz der Ablehnung deiner Gabe möglich, eine glückliche, liebevolle Kindheit und Jugend zu erleben. Denn die Gabe ermöglicht auch, so früh zu erkennen, was sozial erwünscht ist, dass sie einfach sehr frühzeitig abgespalten wird. Deshalb wird sie ja zum inneren Dämon. Denn sie wird früher oder später, wie gut weggepackt sie auch sein mag, sich bemerkbar machen, ihr Recht einfordern. Vielleicht tyrannisiert sie dich täglich mit kleinen Nadelstichen, wenn du an Ungerechtigkeit und Einsamkeit leidest. Vielleicht lässt sie dich irgendwann zusammen brechen, wenn du dich nicht mehr an Machtspielchen beteiligen kannst, obwohl du dich jahrzentelang dazu gezwungen hast. Vielleicht sabotiert sie dich, indem sie dich trotz deines Perfektionismusses Fehler machen lässt, die dich aus deiner Konformität einfach hinauskatapultieren.
Wie auch immer sie es anstellt, sie wird sich früher oder später zu Wort melden, denn sie will (auch) geliebt werden. Und nicht nur das: Sie will auch, dass du auf sie hörst.
Frieden finden mit deiner Intuition
Denn letztendlich ist die Gabe gar nichts anderes, als deine Intuition. Sie ist nur besonders stark ausgeprägt.
Deshalb geht es auch jedem Menschen, ob hochbegabt und hochsensibel, gar nicht anders: Denn die in unserer Gesellschaft vernachlässigte Intuition möchte sich eigentlich in jedem Menschen mitteilen – und auch befolgt werden.
Deine ganz besonders mächtige Intuition, verkleidet in eine Dämonin, wird dich also solange sticheln, quälen, sabotieren, bis du auf sie hörst.
Dazu hatte ich heute ein scheinbar triviales Erlebnis: Im beruflichen Kontext bin ich gerne mit Make up unterwegs. Aufgrund meiner äußerst sensiblen Haut, die zu Neurodermitis und Akne neigt, sobald ich nicht achtsam mit mir umgehe, benutze ich schon nur ein möglichst naturnahes Produkt. Aber selbst das habe ich heute nicht aufgetragen. Einfach so. Man könnte sagen: Es ging nicht. Ich konnte nicht gegen das Bewusstsein handeln, dass es meiner Haut und mir schadet, auch wenn ich es vom Kopf her noch so gerne wollte. Und: Es hat sich friedlich angefühlt. Vollkommen friedlich.
In solchen Momenten merke ich, wie mächtig meine Intuition ist, und wie friedlich es sich anfühlt, wenn ich auf sie höre.
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