Zum Thema Bore Out muss ich gleich mal etwas gestehen: Es fällt mir richtig schwer, darüber zu schreiben. Warum? Weil ich selbst viel zu häufig in diese Falle getappt bin.
Aber fangen wir mal am Anfang an: Kennt ihr auch diese braven kleinen Mädchen, die schon mit fünf Jahren vernünftiger sind als ihre eigene Mutter? Oder bist du selbst mal so gewesen? Wenn du dich in der Schule gelangweilt hast, hast du dich dann in deine Phantasie-Welt zurückgezogen oder nebenbei irgendwas anderes gemacht? Kannst du es schlecht ertragen, wenn andere Routine-Aufgaben nur langsam abarbeiten? Greifst du dann ein und erledigst einfach fünf davon parallel und besser?
Dann kennst du wahrscheinlich die Bore Out-Falle nur allzu gut. Völlig unabhängig davon, wie deine Kindheit in emotionaler Hinsicht verlaufen ist, war sie wahrscheinlich die beste Zeit deines Lebens – weil es jeden Tag so viel zu lernen und zu entdecken gab. Aber irgendwann kam die Schule, in der man jeden Tag das gleiche gemacht hat – erst „u“s malen, dann „m“s, dann „i“s – schon konnte man nach Wochen (!) das erste Wort „Umi“ (der Name unseres Klassenbären …) schreiben. Und die Schule dauerte lange. Sehr, sehr lange. Und sie machte dich furchtbar müde. Bis sie zu Ende war, hattest du schon eines gelernt: Willst du sozial erfolgreich sein, bleibt keine Muße zum globalen Entdecken.
Wodurch wird Bore Out ausgelöst? Ganz einfach: Durch Aufgaben, die dich zu wenig fordern, durch immer wiederkehrende und/oder gleichförmige Aufgaben.
Was sind die Folgen von Bore Out? Sie können verschiedenartig aussehen: Gedankenstau (interessante Ideen werden neben den Routineaufgaben nur halb erfolgreich verdrängt, bekommen aber auch nicht genug Energie, um sich weiterzuentwickeln und blockieren dadurch), Flucht in noch mehr inhaltliche Routine (weil die bunten schwirrenden Gedanken die Erledigung der Routineaufgaben gefährden, werden sie allgemein als gefährlich eingestuft und Routine auch in anderen Bereichen wie Freizeit und Sozialleben (immer die gleiche Fernsehsendung, immer die gleichen Freunde, …) werden zum „rettenden Hafen“), Überheblichkeit/Arroganz (als Ventil, und um die anderen, aufgrund derer du in den Routineaufgaben feststeckst, zu „bestrafen“), chronische Erschöpfung (aufgrund des ständigen Energieverbrauchs, Konzentration für die Routineaufgaben aufzubringen), Zynismus/Selbstvernachlässigung (aus Unzufriedenheit, ggf. sogar Ekel vor sich selbst, seine Energie auf die Routineaufgaben zu verschwenden).
Was sind die Gegenmittel? Klar: Routineaufgaben völlig zu vermeiden. Das geht zum Beispiel in einer Selbständigkeit, aber ggf. auch in kreativen und/oder sozialen Berufen, bei aufgeschlossenen Arbeitgebern und bei selbst organisierter Familienarbeit, also als Hausfrau und Mutter bzw. Hausmann und Vater. Noch besser: eine soziale und kreative Teilzeit-Selbständigkeit und ein Anteil an der Familienarbeit.
Was aber, wenn Routineaufgaben nicht zu vermeiden sind, weil sie nun einmal von dir abgefordert werden? Methode 1: Mehrere parallel erledigen. Das nimmt wirklich Druck raus! Methode 2: Mehrere sequentiell erledigen, also eine fünf Minuten lang, dann die nächste fünf Minuten lang, dann die dritte, dann mit der ersten weitermachen. Methode 3: Sich selbst challengen, immer noch effizienter zu werden. Methode 4: Soweit möglich, Kollegen einbeziehen und Teile delegieren oder zur Teamarbeit machen. Deine Vorgesetzten werden dich gewähren lassen, da du dadurch in deinen Alleinarbeitsphasen geniale Ergebnisse produzierst und die Stimmung im Team steigt.
Weitere Strategie: Lernen, bei deiner Routinearbeit abzuschalten. Dabei können dir Meditations-, Atem- oder andere Entspannungsübungen helfen. Sage dir einfach, diese Aufgabe kann ich auch im Schlaf erledigen! Dadurch vermeidest du den oben angesprochenen Gedankenstau. Mache dir das Wegträumen beim Routinearbeiten schmackhaft, indem du dir ein tolles Hobby suchst – politisches oder ehrenamtliches Engagement, Haustiere, Töpfern, Turniertanz … etwas, das dich richtig und facettenreich fordert. Wenn du schon im Bore Out und der chronischen Müdigkeit angekommen bist, kann es etwas Zeit brauchen, bis du dich wieder für etwas begeistern kannst. Dann heißt es: durchhalten und weitermachen! Als Belohnung winken Fülle, Vielfalt und Vitalität.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Strategien zum Umgang mit Routineaufgaben richten sich nicht gegen Routinen als solche – im Gegenteil, vielen Hoch- und Vielbegabten geben routinemäßige Abläufe im Alltag großen Halt, nämlich gerade Freiraum im Kopf für die bunten Gedanken. Denn als chaotisch empfundener Alltag kann für Hoch- und Vielbegabte – wie die Routineaufgaben – zum Gedankenstau führen, wenn und weil sich das Gehirn darauf konzentrieren muss, für eigentlich belanglose Abläufe und Tätigkeiten eine jeweils neue Herangehensweise zu entwickeln. Der Unterschied zwischen Routineaufgaben und Alltagsroutinen ist, dass jene von dir abgefordert werden, häufig auch ohne, dass sie aus deiner Sicht Sinn machen, während die Routinen im Alltag dir helfen, Dinge, die du sinnvollerweise erledigen möchtest (Körperpflege, Haushalt, Einkaufen, regelmäßige Wege, etc.) so zu strukturieren, dass du gleichzeitig den Kopf für anderes, spannenderes freihast.
Viel Freude in der vielfältigen Fülle wünscht von Herzen Antje
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